Forschungsprojekt VARI-SPEED II im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms des BMWI (LuFo)

Die Drehzahl des Hauptrotors von existierenden Hubschraubern ist bis auf wenige Ausnahmen konstant. Diese Einschränkung ist auf die Auslegung des Antriebs sowie auf dynamische Eigenschaften des Rotors zurückzuführen. Studien haben gezeigt, dass sich mit einer variablen Hauptrotordrehzahl von ±25% Leistungseinsparungen von bis zu 20% erreichen lassen.

Das Vorhaben VARI-SPEED-II (LuFo VI-1) knüpft unmittelbar an das im Rahmen von LuFo V-2 geförderte Vorgängerprojekt VARI-SPEED an. Dort konnte gezeigt werden, dass sich durch Anpassung der Hauptrotordrehzahl an den Flugzustand bedeutsam Leistung und Treibstoff sparen lässt, auch dann wenn eine zusätzliche Masse für ein Modul einkalkuliert wird, über das sich die Drehzahl verändern lässt. Die Technologie ist insbesondere für High-Speed- und Mehrzweckhubschrauber interessant. Während sich für High-Speed Konfigurationen zweistufige Getriebe empfehlen, die dem Schwebeflug- und dem Hochgeschwindigkeitsbetrieb gerecht werden, profitieren Mehrzweckhubschrauber insbesondere von einem stufenlosen Getriebe. In VARI-SPEED wurde Letzteres im Detail verfolgt und dafür ein Compound-Split Getriebekonzept erarbeitet. Für das Variator-Modul des Konzepts sind noch Forschungs- und Entwicklungsfragen offen, welchen sich die TU Wien in VARI-SPEED-II unter anderem
widmet.

Die zwei Fragestellungen, auf die sich die TU München fokussiert, sind in Abbildung 1 dargestellt. Es handelt sich zum Einen um die Frage nach der Dynamik des Antriebsstrangs und den auftretenden Lasten. In diesem Zusammenhang sollen auch Lebensdauer und Sicherheitsmargen während Schaltvorgängne betrachtet werden.

Die zweite Fragestellung richtet sich nach den Flug- und Steuereigenschaften des Hubschraubers, bei Variation der Rotordrehzahl des Hubschraubers. In diesem Hintergrund werden Fehlerszenarien, wie Autorotation untersucht. Stabilitätsmerkmale und Steuerbarkeitskriterien, die sich im Rahmen der Simulation quantifizieren lassen, sollen durch Meinungen und qualitative Bewertungen der Piloten im Rahmen der Simulatorkampagne ergänzt werden, wie beispielsweise Handling Qualities. Beide Untersuchungen sind für eine spätere industrielle Realisierung wichtig, da sie erhebliche Relevanz für die Zulassung hat. Unzulänglichkeiten in der Steuerung, die durch die Studie erkannt werden, können in der Zukunft durch geeignete regelungstechnische Maßnahmen korrigiert werden. Um den Realitätsgehalt des Ersatzmodells (Block 2) für den Schaltvorgang zu gewährleisten, welches in das Flugphysikmodell (Block 4) integriert wird, findet ein Abgleich mit dem elastischen Mehrkörpermodell statt. Da die erfolgreiche Kopplung der Module des Antriebsstrangs ein hohes Risiko darstellt, ist eine Rückfallalternative vorgesehen, die in roter Farbe in Abbildung 1 gekennzeichnet ist. Im Falle, dass entsprechend der Block 1 nicht erfolgreich ist, stützen sich die Analyse des dynamischen Systems auf die Teilmodelle und das Ersatzmodell (Block 2).

Im Rahmen des Projektes VARI-SPEED II haben sich daher die Technische Universität München (TUM), die Technische Universität Wien (TUW), Zoerkler Gears GmbH & Co KG und Advanced Drivetrain Technologies (ADT) Gmbh als Projektpartner zusammengefunden, um sowohl das Getriebe als auch das Rotorsystem des Hubschraubers als internationales Verbundvorhaben zu untersuchen. Ziel ist es, Wissen aufzubauen und neue Technologien zu entwickeln, um in Zukunft den Effizienzvorteil eines drehzahlvariablen Rotorsystems realisieren zu können.

Die Möglichkeit der Verbindung der beiden Förderprogramme LuFo auf deutscher Seite sowie TAKE OFF auf österreichischer Seite bietet ideale Voraussetzungen für die Umsetzung und den Erfolg des Projektes.

Neben der Betrachtung von Konzepten und der Entwicklung von Technologien, welche die Umsetzung der Drehzahlvariabilität ermöglichen, sind Zulassungsaspekte bzw. die Zulassungsfähigkeit, als auch die Risikobewertung und die Analyse von Fehlerszenarien des entwickelten Getriebes und Rotorsystems weitere bedeutende Aspekte, wodurch sich die direkte Umsetzbarkeit in nachfolgenden Projekten und die Zukunftsperspektive dieser Technologie umfassend bewerten lässt.

Publikationen

  • Bischläger, M, Gross, C., Koch, J., Poks, A., Weigand, M.: Dynamic Simulation of a Rotor System with Variable Speed, Vertical Flight Society 78th Annual Forum, Ft. Worth, Texas, 2022
     
  • Paschinger, P., Amri, H., Hartenthaler, K., Weigand M.: Compound-Split Drivetrains for Rotorcraft, 43rd European Rotorcraft Forum,Milan, Italy, 2017.
  • Garre, W., Amri, H., Pflumm, T., Paschinger, P., Marco, M., Hajek, M., Weigand M.: Helicopter Configurations and Drive Train Concepts For Optimal Variable Rotor-Speed Utilization, Deutscher Luft- und Raumfahrtkongress, Braunschweig, Germany, 2016.
  • Garre, W., Pflumm, T., Hajek, M.: Enhanced efficiency and flight envelope by variable main rotor speed for different helicopter configurations, 42nd European Rotorcraft Forum, Lille, France, 2016.
  • Amri, H., Paschinger, P., Weigand, M.: Possible technologies for a variable rotor speed rotorcraft drive train; 42nd European Rotorcraft Forum, Lille, France, 2016.
  • Amri, H., Feil, R., Hajek, M., Weigand, M.: Possibilities and difficulties for rotorcraft using variable transmission drive trains; CEAS Aeronautical Journal, p. 1-12; 2016 [mehr…] [BibTeX]
  • Amri, H., Feil, R., Hajek, M., Weigand, M.: Übersetzungsvariable Getriebe für Drehflügler; 63. Deutscher Luft- und Raumfahrtkongress; 2014 [mehr…] [BibTeX]