Entwicklung, Erprobung und Optimierung einer MATLAB-Toolbox für das Juneau Icefield Research Program

Autor: Susann Büttner
Titel: Entwicklung, Erprobung und Optimierung einer MATLAB-Toolbox für das Juneau Icefield Research Program
Art: Diplomarbeit
Jahr, Nr.: 2005, #390
Betreuer: Dr.-Ing. Werner Stempfhuber (TU München, LfG)

 

Aufgabenstellung

Seit 2002 ist der Lehrstuhl für Geodäsie der TUM gemeinsam mit den Professuren für Allgemeine Geodäsie und Ingenieurgeodäsie der Universität der Bundeswehr München am traditionsreichen "Juneau Icefield Research Program" (JIRP) in Alaska aktiv beteiligt. Um die, innerhalb dieser vielfältigen Gletschererforschungsunternehmung alljährlich unter härtesten Außendienstbedingungen vorgenommenen, geodätischen Präzisionsmessungen übersichtlich und effizient bearbeiten zu können, wurde von Herrn Dr.-Ing. Werner Stempfhuber (Expeditionsteilnehmer 2003 und 2004, Ls. f. Geodäsie) die Entwicklung einer Toolbox auf Basis von MATLAB vorgeschlagen. Erste Aufgabe der Kandidatin war es, diese Toolbox zur Auswertung, Verwaltung und Analyse von Beobachtungen sowie Planung weiterer Messkampagnen zu entwerfen und zu programmieren. Als zweite Anforderung sollte die Toolbox anhand einer selbst durchgeführten Messkampagne im Juneau Eisfeld praktisch erprobt und schließlich aufgrund der gewonnenen Erfahrungen weiter optimiert werden.

Geodätische Messungen im Eisfeld

1946 begannen die geodätischen Arbeiten auf ersten ausgewählten Gletschern des Juneau Eisfelds. Zum Einsatz kamen terrestrische Verfahren und Luftbildphotogrammetrie. Aufgenommen wurden hauptsächlich die Termini der repräsentativen Hauptgletscher, um das Vorrücken oder Rückziehen dieser genau dokumentieren zu können. Schon ein Jahr später wurden die Arbeiten auf weitere Gebiete ausgedehnt und entsprechende Beobachtungspläne aufgestellt. Zum Teil wählte man anhand dieser Pläne auch günstige Standorte für die geplanten permanenten Camps aus. Anfänglich wurde mit Theodoliten gearbeitet, Ende der 60er Jahre kamen elektronische Distanzmessgeräte hinzu. Zunächst wurden lokale Koordinatensysteme sinnvoll um die einzelnen Camps angelegt. Später wurde versucht, diese voneinander isolierten Netze miteinander zu verbinden, was aber aufgrund der von den Messgeräten geforderten Sichtverbindung, den dafür ungünstigen örtlichen Gegebenheiten und Schwierigkeiten bei der Logistik lange Zeit nicht möglich war.

Seit 1992 wird statt terrestrischen Verfahren das Global Positioning System (GPS) für alle Vermessungsaufgaben eingesetzt, was die Situation erheblich verbessert. Es können wesentlich mehr Punkte gemessen werden und man ist vomWetter unabhängig, was gerade im Juneau Eisfeld mit seinen vielen Nebeltagen ein bedeutender Fortschritt ist, weil im Gegensatz zu terrestrischen Verfahren Sichtverbindungen zwischen den einzelnen Aufstellungen nicht mehr nötig sind. Eine nochmalige Aufwärtsentwicklung bewirkte der Einsatz von Real Time Kinematic (RTK) GPS ab 1995. Abgesehen von einer nochmaligen Messgeschwindigkeitssteigerung kann nun die exakte Position eines Punktes vom Vorjahr wieder abgesteckt werden. Dadurch sind jährliche Änderungen in der Höhe exakt nachweisbar, was wiederum verbesserte Möglichkeiten für die Massenbilanzierung bedeutet. Durch die größere Anzahl von Messpunkten sind außerdem wesentlich genauere Aussagen über das Fließverhalten des jeweiligen Gletschers möglich. Mittels GPS konnten die lokalen Vermessungspunkte zu einem das ganze Eisfeld umfassenden Koordinatensystem verbunden, und dieses in das globale Netz des International GPS Service (IGS) integriert werden. Heute besteht die wohl wichtigste Aufgabe für die Geodäsie im Juneau Eisfeld darin, die Oberflächenfließgeschwindigkeiten der Hauptgletscher (Taku und Llewellyn) sowie bedeutender Nebengletscher zu bestimmen. Es werden die Fließgeschwindigkeiten an sich untersucht und miteinander verglichen sowie die über die Jahre unterschiedlichen Fließmuster analysiert, um so Rückschlüsse auf Reaktionen des Gletschers auf Klimaänderungen schließen zu können. Die< Geschwindigkeitsprofile werden außerdem herangezogen, um ein dynamisches Modell des Taku Gletschers zu erstellen. Unter Anwendung glaziologischer Fließgesetze kann man von den Geschwindigkeiten auf die Massenbilanz eines Gletschers schließen. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Aufnahme der Hauptprofile, um im Vergleich zu vorhandenen älteren Daten Analysen zu deren Höhenänderungen durchführen zu können. Selbstverständlich arbeiten die Geodäten mit den anderen Fachgebieten zusammen und unterstützen diese bei ihren Projekten, z.B. durch Bereitstellen der benötigten Daten oder Verleihen der Geräte.

Auswerte- und Visualisierungstool

Für das Handling der GPS-Daten des Juneau Icefield Research Programs bedurfte es einer Software, mit der man die gemessenen GPS-Daten direkt im Eisfeld überprüfen und nutzen kann, die verschiedene Berechnungen, Analysen und Darstellungen leicht ermöglicht. Demgemäß wurde für die Programmierung des im Rahmen dieser Diplomarbeit entstandenen Auswerte und Visualisierungstools das Programmpaket MATLAB (MATrix LABoratory) verwendet. Mit MATLAB lassen sich komplexe Berechnungen leicht durchführen und große Datenmengen mit Hilfe verschiedener 2D- und 3D-Grafikfunktionen bequem anschaulich darstellen. Für Auswertungen und Kontrollen vor Ort, aber auch Präsentationen und die Fortführbarkeit des Tools sind das bedeutende Vorteile. Vor allem folgende MATLAB-Merkmale kommen im JIRP zum Tragen:

  • Dateien können problemlos eingelesen werden.
  • Berechnungen: Eine Vielzahl Funktionen für numerische Berechnungen im wissenschaftlichen und technischen Bereich stehen zur Verfügung.
  • Visualisierung: Verschiedene Grafikfunktionen erlauben eine Veranschaulichung der Daten und Ergebnisse.
  • Datenanalyse: Einfache Visualisierungsmittel und numerische Berechnungen bieten ausreichende Möglichkeiten zur Datenanalyse.
  • Präsentation: Grafiken lassen sich einfach in andere Programme, z.B. Microsoft Power-Point, exportieren.
  • Weitergabe: MATLAB kann in andere Programmiersprachen und Anwendungen integriert werden. Mit dem MATLAB-Compiler können Funktionen als Stand-alone-Lösungen auch ohne MATLAB-Lizenz genutzt werden.

Das entstandene MATLAB-Tool soll zu einer homogenen Datenhaltung beitragen. Außerdem soll es den interdisziplinären Charakter des JIRP unterstützen, indem verschiedenartige Messdaten, z.B. Temperatur und Höhe, zusammen analysiert werden können oder auch Berechnungen zur Massenbilanz möglich sind. Mit Hilfe des MATLAB-Tool können anhand einfacher Plots die GPS-Daten direkt im Eisfeld visualisiert und damit kontrolliert werden. Außerdem bietet sich den JIRP-Teilnehmern die Möglichkeit, mit den über die Jahre gesammelten Daten und den jeweils aktuellen zu arbeiten. Die erstelltenMATLAB-Grafiken können schon am Ende der JIRP-Saison in Atlin präsentiert werden. Des Weiteren können alle integrierten Daten sowie das Tool selber an Interessenten weitergegeben und bei der Fortführung der wissenschaftlichen Projekte herangezogen werden. Gleichfalls kann es bei der Erstellung der jährlichen Reports von großem Nutzen sein.