Deformationserfassung mit terrestrischem Laserscanning

Autor: Markus Neugebauer
Titel: Deformationserfassung mit terrestrischem Laserscanning
Art: Diplomarbeit
Jahr, Nr.: 2005, #391
Betreuer: Dipl.-Ing. Thomas Weber & Dipl.-Ing. Thomas Schäfer (TU München, LfG)

 

Aufgabenstellung

Bisher finden terrestrische Laserscanner in der Ingenieurgeodäsie hauptsächlich im Bereich der Objektmodellierung, beispielsweise zur Dokumentation oder Kollisionsanalyse in komplexen industriellen Anlagen, Anwendung. In der Diplomarbeit soll untersucht werden, in wie weit sich terrestrische Laserscanner zur Detektion von Deformationen an Ingenieurbauwerken eignen. Dabei sollen Methoden und Verfahren zur Ermittlung der Genauigkeit und des Auflösungsvermögens dieser Systeme erprobt werden. Um eine Minderung des Rauschverhaltens der Scannerdaten, verursacht durch die Streckenmessung, zu erhalten, sind geeignete Filter auszutesten. Für den Eignungstest steht das System Cyrax 2500 der Firma Leica Geosystems AG zur Verfügung.

Thema und Motivation

In der jüngsten Vergangenheit hat sich im Vermessungswesen ein völlig neuartiges Verfahren etabliert. Sowohl instrumentell als auch methodisch geht man beim Laserscanning neue Wege: während man in der klassischen Vermessung, beispielsweise unter Verwendung eines Tachymeters, sich auf diskrete Einzelpunkte konzentrierte, werden mit einem Laserscanner große Mengen von Rasterpunkten abgetastet und erfasst. Das Ergebnis ist nicht wie zuvor die Koordinierung einzelner Punkte, sondern eine Punktwolke, die im Ganzen bearbeitet werden kann. Gerade bei komplizierten geometrischen Körpern, wie verzweigten Rohrleitungssystemen oder komplexer Architektur eignet sich die flächenbezogene Arbeitsweise eines solchen Gerätes sehr gut. Erfreulicherweise hatte ich im Laufe meines Studiums mehrfach die Gelegenheit das Laserscanning kennen und nutzen zu lernen. Zudem konnte ich sozusagen “live“ die Entwicklung dieses neuen Verfahrens miterleben. Ich sehe eine große Chance für die Geodäsie in diesem Novum, daher hat mich die Arbeit mit dem Scanner von Anfang an fasziniert, nicht zuletzt auch deshalb, weil längst nicht alle Möglichkeiten die das Verfahren birgt vollständig erfasst sind. So werde ich in meiner Diplomarbeit untersuchen, inwieweit sich das Scanning instrumentell und methodisch für Deformationsmessungen eignet.

Bei Deformationsmessungen spielt die Genauigkeit des Messgeräts eine bedeutende Rolle. An der Art der Deformation und der erforderlichen Präzision der Ergebnisse orientieren sich die Anforderungen an das Gerät. Um die Tauglichkeit des Laserscanners Cyrax 2500 für genaue Deformationsanalysen zu prüfen wurden Versuchsreihen durchgeführt um die relative und absolutre Genauigkeit der Distanzmessungzu überprüfen.

Voruntersuchungen zur Deformationsmessung

Die Distanzgenauigkeit des Einzelpunktes wird bei dem Gerät Cyrax 2500 herstellerseitig mit 4 mm angegeben. Die Maximale Reichweite liegt laut diesen Angaben bei 100 m, allerdings wird empfohlen im Bereich bis 50 m zu messen. Hat jeder einzelne gemessene Punkt eine gewisse Unsicherheit entsteht ein Messrauschen. Scannt man zum Beispiel eine glatte Oberfläche, so werden die erfassten Punkte zum Teil vor oder hinter dieser Ebene liegen. Es lässt sich danach eine ausgleichende Fläche durch die Punktwolke legen, die wesentlich genauer der Realität entspricht. Untersucht man Abstand der einzelnen Messpunkte zu dieser Ebene erhält man Informationen über die Messgenauigkeit und die Standardabweichung. Beträgt die Standardabweichung 4 mm, so sollten per Definitionem 68% der Messwerte nicht weiter als 4 mm vom Soll abweichen.

In einem Versuch soll nun geprüft werden, ob das Gerät nun diese Angaben erfüllt werden und ob bzw. inwieweit diese Spezifikationen abhängig von der zu messenden Distanz sind. Hierzu wurde die folgende Versuchsanordnung verwendet: Der Scanner wurde am einen Ende eines langen Gangs positioniert, ca. 20 Meter davon entfernt brachte man eine Zieltafel an. Die Tafel (ein einfaches, weißes, glattes Brett, ca. 70x40 cm) wurde nun hochauflösend gescannt und im Anschluss immer wieder um 10 Meter weiter von Scanner entfernt, um danach erneut aufgenommen zu werden. So entstanden zehn Scans der Tafel in Entfernungen zwischen ca. 20 und 100 Metern. Für jede der neun Punktwolken wurde bei der Auswertung eine ausgleichende Ebene gelegt. Die Absicht dabei war, die Abweichung der Ursprungspunkte zu dieser Ebene zu ermitteln. In den folgenden Abbildungen wird dargestellt, wie die Punkte im Verhältnis zur ausgleichenden Ebene liegen.

In einer weiteren Versuchsreihe sollte untersucht werden, in welcher Auflösung der Laserscanner Deformationen erfassen kann. Zu diesem Zweck wurde eine Holzplatte auf eine Stollnreuther-Bank gesetzt. Eine Stollnreuther-Bank ist eine Vorrichtung, die es ermöglicht, Gegenstände hochgenau um bestimmt definierte Distanzen zu verschieben. Dazu wird die Kurbel am Gerät um eine gegebene Anzahl von Skalenteilen gedreht. Die Holzplatte wurde also in der Folge mehrfach jeweils um 0,5 mm bzw. 1 mm verschoben und dann aus einer Entfernung von etwa 13 m gescannt . Ziel dabei war, bei der Auswertung festzustellen, ob die simulierten Deformationen von 1 – 22 mm einwandfrei aufgelöst werden können.

Sowohl bei der Überprüfung der inneren Genauigkeit als auch der Detektierbarkeit kleiner Deformationen kommt man zu dem Ergebnis, dass sich das verwendete Gerät, der Cyrax 2500 für Deformationsmessungen eignet. Die Genauigkeit eines gemessenen Einzelpunktes liegt innerhalb der empfohlenen Messdistanz unter 4 mm, bei flächenhafter Erfassung lassen sich Deformationen bis hinunter zu 1 mm erfassen. Die Probleme die sich durch den hohen Maßstab bei der äußeren Genauigkeit ergeben sind für die folgende Messkampagne zu vernachlässigen, weil mit einem Gerät von ein und demselben Standpunkt aus gemessen wurde.

Deformationsmessung am Schleusentor Gabcíkovo

Das Objekt des Interesses waren die Schleusentore. Ein Schleusentor bestehet aus zwei Torflügeln. Die Gesamtbreite beträgt wie das Becken 34 m, die Höhe 22 m. Die Torflügel haben eine Dicke von 2 m und jeder einzelne wiegt 435t. Bei unterschiedlichem Füllstand des Beckens erfahren die Tore der Schleuse reversible Deformationen. Es wird davon ausgegangen, dass bei vollem Becken sich das Tor bauchartig um einige cm auswölbt und diese Verformung bei der Entleerung wieder zurückgeht. Um das zu zeigen und zu dokumentieren, wurden Messungen mit dem Laserscanner durchgeführt. Dieser wurde dazu in etwa 20 m Entfernung zum Schleusenausgang seitlich positioniert.

Um die Deformation hinsichtlich verschiedener Gesichtspunkte zu betrachten, entschied man sich, die Beobachtung des Tores auf zwei Arten durchzuführen: die „dynamische“ und die „statische“ Messung.Bei der dynamischen Messung wurde ein kleiner Streifen des Tores immer wieder gescannt, während das Becken kontinuierlich gefüllt bzw. entleert wurde. Der Streifen wurde knapp neben der Mitte des Tors gewählt, weil man dort die maximale Deformation erwartete. Während der knapp 20 Minuten, welche die Befüllung und Entleerung des Beckens in Anspruch nimmt, wurden der Streifen jeweils 22 bzw. 27 mal gescannt. Die Auflösung am Objekt betrug 5 x 5 cm², pro Scan wurden 50 x 291 Punkte aufgenommen und ein Scan dauerte in etwa 20 Sekunden. Um die Messung in einen geometrischen Zusammenhang zu bringen, wurden bei gefülltem Becken ganz am Anfang und zum Schluss zudem Feinscans mit 2,5 x 2,5 cm² über das gesamte Schleusentor durchgeführt. Bei der statischen Messung hingegen wurde das Becken ca. 5m Schritten entleert bzw. befüllt. Nach jedem Entleerungsvorgang wurde einige Minuten lang gewartet, so dass die Deformation vollständig eintreten konnte. Jetzt stellte sich folgendes Problem ein: der Öffnungswinkel des Cyrax 2500 (ein Kamerascanner) reichte nicht aus, um das Schleusentor in einem einzigen Scan vollständig von der gewählten und einzig möglichen Entfernung von etwa 20 m zu erfassen. Darum wurden jeweils zwei Messungen pro Füllstand durchgeführt. Einmal der linke und einmal der rechte Torflügel separat, beide Punktwolken sollten danach verknüpft werden. Auch hier betrug die Objektauflösung 5 x 5 cm², 291 x 291 Punkte wurden pro Scan aufgenommen.

Fazit und Ausblick

Im Rahmen meiner Diplomarbeit untersuchte ich, inwieweit sich das Laserscanning für Deformationsanalysen eignet. Zunächst habe ich einen kleinen Einblick in das Betätigungsfeld „Laserscanning“ gegeben, die verschiedenen Segmente vom Air-Borne-Laserscanning zum terrestrischen Laserscanning mit dem Spezialgebiet „Scannen im absoluten Nahbereich“ ausgeleuchtet und Anwendungsgebiete dargestellt. Im weiteren habe ich mich mit einigen Algorithmen auseinandergesetzt, die beim Laserscanning im Allgemeinen und für Deformationsmessungen im Speziellen immer wieder auftauchen: die Bearbeitung von Punktwolken und die Verknüpfung mehrerer Scans. In diesem Kapitel bin ich außerdem auf die DIN 18710 „Ingenieurgeodäsie“ und den Iterative Closest Point Algorithmus eingegangen. Mit zwei Versuchsreihen prüfte ich die Eignung des Cyrax 2500 von Leica für die angestrebten Messungen. Zuerst sollte getestet werden, wie hoch die innere Genauigkeit der einzelnen Messpunkte ist. Das Ziel des zweiten Versuchs war, herauszufinden, bis zu welchem Grad sich Deformationen detektieren lassen. Beide Versuche ergaben, dass der Scanner die in diesem Fall nötigen Genauigkeitsanforderungen deutlich übertrifft. Der Hauptteil meiner Arbeit war dann die Messung und Auswertung des Schleusentors am Kraftwerk Gabcikovo. Die Hauptprobleme lagen hier bei der Verknüpfung und Darstellung der Daten. Schlussendlich habe ich mit Matlab eine Benutzeroberfläche erstellt, mit der sich die ermittelten Daten komfortabel visualisieren und vergleichen lassen. Es hat sich gezeigt, dass die Zukunft mit Hybrid- und Panoramascannern deutliche Vorteile mit sich bringen wird. In diesem Fall wäre die Verknüpfung der Daten und somit das Hauptproblem der Auswertung weggefallen. Auch klar wurde, dass sich das Verfahren aber grundsätzlich für Deformationsmessungen und -analysen eignet. Gerade für flächenhafte Beobachtungen erscheint mir das System ideal, sofern die erwarteten Deformationen sich nicht im Submillimeterbereich bewegen.