Geodätische Überwachungsmessung während des Rückbaus der Hochbrücke Freimann

Autor: Dominik Kraft
Titel: Geodätische Überwachungsmessung während des Rückbaus der Hochbrücke Freimann
Art: Diplomarbeit
Jahr, Nr.: 2007, #399
Betreuer: Dipl.-Ing. Thomas Schäfer (TU München, LfG)

Aufgabenstellung
Der Lehrstuhl für Geodäsie beschäftigt sich seit mehreren Jahren in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Massivbau (Prof. Zilch) und dem Ingenieurbüro Zilch + Müller Ingenieure GmbH mit dem Monitoring einer Autobahnbrücke. Derzeit befindet sich das lngenieurbauwerk in der Phase des Rückbaus.

Dabei kommt ein außergewöhnliches Bauverfahren zu tragen, welches die Durchtrennung der gesamten Konstruktion unter Aufrechterhaltung des Verkehrs vorsieht. Für einen derartigen massiven Eingriff in das statische System der Hochbrücke war vom Lehrstuhl für Geodäsie ein Überwachungskonzept zu entwickeln, das dem Prüfingenieur wichtige Informationen über aktuelle geometrische Veränderungen am Bauwerk zur Verfügung stellt. Dem Kandidaten wird die Aufgabe gestellt, dieses Konzept in Form einer on-board Applikation basierend auf programmgesteuerten Servotachymetern umzusetzen. Ein besonderes Augenmerk liegt zusätzlich auf der Realisierung der gesamten Prozesskette Messwerterfassung, Auswertung und Visualisierung der Ergebnisse. lm Vorfeld sind die für den Einsatz vorgesehenen Messmarken auf ihre Eignung zu prüfen. Das entwickelte Verfahren soll hinsichtlich Genauigkeit und Automatisierung in einem Feldversuch auf seine Praxistauglichkeit untersucht werden. Für den Zeitraum des Rückbaus soll der Kandidat aktiv die Vermessungsarbeiten begleiten und für etwaige Erweiterungen des Programms zur Verfügung stehen.

Kurzfassung
Die ingenieurgeodätische Überwachung von Brückenbauwerken insbesondere bei Bauarbeiten ist unablässig. Deshalb wurde im Rahmen dieser Arbeit ein Messkonzept entwickelt, dass den Rückbau der Hochbrücke Freimann überwacht. Die Brücke wird schadens- und altersbedingt unter Aufrechterhaltung des laufenden Verkehrs abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Dazu muss in einem ersten Schritt das Tragwerk in Längsrichtung getrennt werden.

Nach einer Beschreibung der komplexen Baumaßnahmen folgt die Erklärung des Konzepts der ingenieurgeodätischen Überwachung. Ziel hierbei war bestimmte aussagekräftige Objektpunkte zu messen um Verformungen sowie Lage- und Höhenänderung der beiden Brückenhälften zueinander zu ermitteln. Die Vermarkung dieser Punkte wurde mit Reflexmarken realisiert. Für die Messungen musste ein Grundlagennetz höchster Genauigkeit geschaffen werden. Der Schwerpunkt der Arbeit lag auf der Vorbereitung und Realisierung dieses Konzepts. Dazu wurden umfangreiche Testmessungen auf die Reflexfolien gemacht, um Genauigkeitsaussagen hinsichtlich einer automatischen Messung zu erhalten.

Außerdem wurde ein Verfahren entwickelt, das den Datenfluss von der Messung über die Auswertung bis hin zur Darstellung sehr weit automatisiert und zeitlich schnell realisiert. Die Ergebnisse wurden nicht abstrakt in Koordinatenlisten geliefert, sondern graphisch aufbereitet um eine schnelle Interpretation zu gewährleisten. Das bestehendes Messprogramm musste hierfür weiterentwickelt und auf die Gegebenheiten angepasst werden. Die Visualisierung der Längs- und Querprofile erfolgte in vorgefertigten Templates. Abschließend werden die Ergebnisse an einigen Beispielen gezeigt.

Zusammenfassung und Fazit
Die 1960 gebaute Hochbrücke Freimann wird aufgrund starker Korrosionsschäden abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Nach einer Prüfung stellte dies die wirtschaftlichere Lösung im Gegensatz zu einer Gesamtinstandsetzung dar. Wegen des hohen Verkehrsaufkommens in diesem Bereich wurde ein Verfahren gewählt, das für den Straßenbau einmalig in Deutschland ist. Es sieht vor, das Tragwerk der Brücke in Längsrichtung zu trennen und die beiden Brückenhälften unter Aufrechthaltung des Verkehrs einzeln abzureißen. Der abschnittsweise Rück- und Neubau findet zeitgleich statt. Diese komplexe Baumaßnahme wurde während der vollständigen Trennung ingenieurgeodätisch Überwacht. Das Konzept sieht vor, bestimmte aussagekräftige Objektpunkte zu messen um Verformungen sowie Lage- und Höhenänderung der beiden Brückenhälften zueinander zu ermitteln.

Aufgrund der hohen Anzahl von über 300 Objektpunkten und aus Kostengründen wurden diese mit sog. Reflexmarken vermarkt. Die Trennung der Brücke erfolgte in zwei Arbeitsschritten. Zum einen wurde die Fahrbahn- und Bodenplatte in den Feldern zwischen den Querträgern getrennt. Hierbei genügte jeweils eine Messung vor und nach dem Trennschnitt. Die weitaus kritischere Baumaßnahme stellte die Durchtrennung der 19 Querträger dar. Deshalb war hierfür eine Datengrundlage über Verformungen in kürzeren zeitlichen Abständen vorzulegen. Die Ergebnisse waren Darstellungen über Änderungen der Höhen und Lagedifferenzen im Bezug zu den jeweiligen Nullmessungen vor den Arbeiten. Dazu wurden sowohl Quer- als auch Längsprofile erstellt. Die erreichten Genauigkeiten bei der Messung auf Reflexmarken waren durchschnittlich mit σLage = ±1.3 mm und σHohe = ±1.1 ausreichend um Bewegungen im Bereich von wenigen Milimetern sinnvoll aufdecken zu können. Gerade im Hinblick auf die Kosten erwiesen sie sich als gute Alternative zu herkömmlichen Prismen. Auch die schnelle Montage war von Vorteil, da an einigen Stellen aufgrund von Verlust oder Beschädigung Marken neu montiert werden mussten. Das automatische Messen mit ATR erwies sich für höchste Genauigkeiten als zu ungenügend. Dies führte zur Entscheidung die Objektpunkte manuell einzumessen. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgte in enger Absprache mit den verantwortlichen Prüfingenieuren. Dabei wurde darauf geachtet, die Daten so zu visualisieren, dass eine schnelle Interpretation möglich ist. Die Messungen wurden somit nicht abstrakt in Koordinatenlisten geliefert, sondern graphisch aufbereitet. Der Datenfluss von der Messung über die Auswertung bis hin zur Darstellung konnte sehr weit automatisiert werden und war zeitlich schnell zu realisieren. Dies war ein wesentlicher Aspekt, insbesondere bei der Durchtrennung der Querträger, da hier die Daten zeitnah zur Messung vorliegen mussten. Erheblich mehr Aufwand musste bei dem Vergleich von Epochen aufgewandt werden, bei dem die Messungen in unterschiedlichen Arbeitsschritten erfolgten. Hier wurden die dazu notwendigen Koordinatenlisten selbst zusammengestellt. Da die Reflexmarken von zwei Seiten angemessen werden konnten, war darauf zu achten, dass in allen Epochen die jeweiligen Marken von der gleichen Richtung angezielt werden. Um hier einen besser Überblick zu erhalten, wäre eine Speicherung der Daten aller Messepochen in einer Datenbank wünschenswert gewesen. Das erarbeitete Messkonzept konnte die Erwartungen hinsichtlich Genauigkeit und zeitlichem Aufwand erfüllen. Die von Seiten der Prüfingenieure des Ingenieurbüros Zilch + Müller Ingenieure GmbH zu erwartenden Bewegungen konnten bestätigt werden. Die Messungen lieferten wichtige Informationen zur Beurteilung der Brückenbewegungen und deren Größenordnung während der Trennung.