Geodätische Überwachung der Massenbewegung am Hornbergl bei Reutte/Tirol

Autor: Stefan Schuhbäck
Titel: Geodätische Überwachung der Massenbewegung am Hornbergl bei Reutte/Tirol
Art: Diplomarbeit
Jahr, Nr.: 2007, #396
Betreuer: Prof. Thomas A. Wunderlich, Dipl.-Ing. Glennfried Preuß (TU München, LfG)

Kurzfassung
Die am Hornbergl bei Reutte/Tiroler Außerfern auftretenden Hangbewegungen werden seit 1987 nach Anlage eines Überwachungsnetzes mit regelmäßigen Messkampagnen untersucht. Im Rahmen dieser Diplomarbeit wurde die 8. Epoche Ende November/Anfang Dezember 2006 gemessen und ausgewertet. Die durchgeführten TPS- und GPS-Beobachtungen wurden in einer hybriden Ausgleichung zusammengeführt und in einer strengen Deformationsanalyse mit den Resultaten der 6. Epoche aus dem Jahr 2001 verglichen. Die ermittelten Ergebnisse bestätigen den Trend rückläufiger Punktgeschwindigkeiten nach einem starken Anstieg zur 6. Epoche im Jahr 2001.

Mit Einrichtung eines permanenten GPS-Monitoring Systems konnte im Jahr 2007 zum 20-jährigen Jubiläum ein neuer Meilenstein in der Geschichte der Überwachung der Hangrutschung am Hornbergl gesetzt werden. Anhand eines Datensatzes, der im Testzeitraum im Winter 2006/07 an der Universität der Bundeswehr in München aufgezeichnet wurde, konnten die Hauptfunktionen der am Hornbergl seit Juni 2007 eingesetzten Software zur Überwachung der Bewegung vorab getestet werden. Eine simulierte Punktbewegung konnte die Eignung des Systems zur Frühwarnung durch Alarmgenerierung bei auftretenden Deformationen bestätigen. Eine Beurteilung des Monitoring Systems im praktischen Einsatz am Hornbergl ist zum jetzigen Zeitpunkt auf Grund der kurzen Betriebszeit noch nicht möglich.

Epoche 8 - Hybrides Netz (TPS & GPS) / Deformationsanalyse
Die Installation des permanenten GPS-Überwachungssystems verzögerte sich auf Grund von Lieferschwierigkeiten einzelner Geräte und da die letzte Epoche am Hornbergl im Jahr 2003 gemessen wurde, fiel die Entscheidung, zunächst eine weitere TPS und GPS-Kampagne am Hornbergl durchzuführen.

Die terrestrischen Messungen wurden mit einem Leica TCRA 1101 durchgeführt. Eine erste Sichtung und Kontrolle der Daten erfolgte mit dem Programm Caplan der Firma Cremer Programmentwicklung. Für die Berechnung der GPS-Basislinien stehen zwei Softwareversionen von SKI-Pro von Leica Geosystems zur Auswahl. SKI-Pro 2.5 und eine Nachfolgeversion, die im Programmpaket Leica Geo Office 5.0 (LGO) integriert ist.

Die Zusammenführung von terrestrischen und satellitengestützten Beobachtungen in einer gemeinsamen Ausgleichung wird hybride Ausgleichung genannt. Dabei steht der Übergang der verschiedenen Bezugssysteme in ein einheitliches Koordinatensystem im Vordergrund. In Anbetracht der im Anschluss durchzuführenden Deformationsanalyse erfolgt eine freie Netzausgleichung, bei der das Netz auf den Näherungskoordinaten mehrerer Punkte (Datumspunkte, hier stabile Punkte des Hauptnetzes) gelagert wird. Analog zu den bisherigen Epochen wird hierfür das Programm PANDA eingesetzt.

GPS-Monitoring System Hornbergl
Das GPS-Monitoring System Hornbergl besteht aus einem modular aufgebauten Geo-Sensornetzwerk (GeoSN), das je nach Anforderung mit zusätzlichen Sensorknoten beliebig erweitert werden kann. Die beiden Punkte, mit denen die Massenbewegung überwacht wird, befinden sich im Deformationsgebiet des Luag ins Land auf ca. 1700 m ü. NN. Jeder Sensorknoten im Deformationsbereich besteht aus einem GPS-Empfänger und dessen unabhängiger Stromversorgung. Die Kommunikation zwischen den Sensorknoten im Gelände und der Rechenzentrale an der Talstation der Hahnenkammbahn in Höfen wird über eine WLAN-Verbindung realisiert. Dabei muss ein kontinuierlicher Datentransfer über eine Funkstrecke von knapp 3 Kilometern sichergestellt werden. Ebenfalls im Stabilbereich der Talstation befindet sich der GPS-Referenzempfänger des Überwachungssystems.

Die Auswertung der Messungen erfolgt vor Ort am Zentralrechner, der an das Internet angeschlossen ist. Über die Internetverbindung kann vom Systembetreiber (Universität der Bundeswehr) einerseits die Fernwartung vorgenommen werden und andererseits können auch alle Daten jederzeit zur Auswertung abgerufen werden. Für den Fall eines Systemausfalls, beispielsweise hervorgerufen durch einen Computerabsturz, wird vor Ort eine Person eingewiesen um das System wieder soweit zum Laufen zu bringen, dass der Systembetreiber die restlichen Konfigurationen über die Fernwartungsverbindung vornehmen kann. Die Gesamtkosten des Systems betragen ca. 15.000 €, weshalb man dieses System auch als Low-Cost-System bezeichnen darf. Die niedrigen Kosten beruhen insbesondere auf der Wahl der eingesetzten GPS-Sensorik. Hier werden die deutlich günstigeren Low-Cost-Empfänger den herkömmlichen geodätischen Empfängern vorgezogen, jedoch ohne Abstriche am Genauigkeitsanspruch machen zu müssen. Eine Erweiterung des Überwachungsnetzes mit zusätzlichen Sensorknoten ist jederzeit möglich.

Operativer Betrieb
Die Überwachung des Rutschungsgebiets auf Punktbewegungen nach Auswertung der Rohdaten geschieht mit der Deformationsanalyse-Software GOCA. Mit Beobachtungsdaten aus dem Systemtest im Winter 2006/07 an der Universität der Bundeswehr München, in denen einesimulierte Punktbewegung eingefügt wurde, konnten die Auswertungs- und Darstellungsmöglichkeiten dieses Programms getestet werden. Besonderer Wert wurde auf die Methoden zur Alarmgenerierung gelegt. Bei Eintritt eines erhöhten Gefahrenpotentials durch Beschleunigung der Bewegung kann der Systemverantwortliche über ein Alarmmodul gewarnt werden und weitere Schritte z.B. eine Evakuierung bedrohter Ortsteile einleiten.

Eine erste Beurteilung des Systems im praktischen Einsatz vor Ort ist auf Grund der bisher sehr kurzen Laufzeit des Systems am Hornbergl noch nicht möglich. Eine längerfristige Datenaufzeichnung muss noch abgewartet werden. Wie die vielversprechenden Tests aber gezeigt haben, stellt das GPS-Monitoring System einen neuen Meilenstein in den Überwachungsmessungen am Hornbergl dar.