Grundlagen der Deformationsbestimmung mit Messdaten bildgebender Tachymeter

Das ingenieurgeodätische Instrumentarium der Tachymetrie hat sich in den vergangenen Jahren stetig zum Multi-Sensor-System fortentwickelt. Aktuell sind am Markt die ersten Geräte zu beobachten, die auch auf die Nutzung von Bildinformationen setzen. Die Arbeit untersucht mittels eines geeigneten Prototyps die notwendigen Grundlagen, um bevorzugt auf Basis von Bildinformation und unterstützt durch reflektorlose Distanzmessung Aufgaben der Präzisionsvermessung wie der Deformationsbestimmung von Objekten durchzuführen.

Bei weiterer konsequenter Entwicklungsarbeit seitens der Gerätehersteller ist für die nächste Zukunft mit der Integration photogrammetrischer Verfahren in die Arbeitsabläufe der Ingenieurgeodäsie zu rechnen. Für präzise Anwendungen auf Basis der Messung im Tachymeterbild, wie sie die Aufgaben der Deformationsbestimmung erfordern, sind zur Zeit verfügbare kommerzielle Instrumente allerdings noch nicht geeignet, wohl existieren aber Prototypen als Machbarkeitsstudien. Die Arbeit gibt einen ersten Einblick in die Grundlagen und Möglichkeiten der neuen Hybridgeräte unter dem Aspekt des vollständigen bzw. weitgehenden Verzichts auf Zielpunktsignalisierung.

Ein geeigneter Prototyp der Firma Leica Geosystems wird vorgestellt und die notwendigen Kalibrierungsschritte zur Kombination von Tachymeterfunktionalität und Bildinformation werden durchgeführt. Die Bestimmung der Parameter für die wechselseitigen Transformationsvorschriften gelingt mit hoher Genauigkeit und Zuverlässigkeit. Weitere Untersuchungen des Genauigkeitspotentials und eventueller Einflüsse durch die Kameraimplementierung beziehen sich im Anschluss auf Auflösungsvermögen, Reproduzierbarkeit und Kontinuität bei unterschiedlichen kombinierten Fernrohrausrichtungen sowie auf gegenseitige Beeinflussungen der Komponenten. Es erfolgt eine gesonderte Betrachtung von Detektionsalgorithmen unter dem Einfluss der Refraktion, welche als problematische Größe der Videotachymetrie identifiziert und quantifiziert wird. Es wird dabei nachgewiesen, dass die Messungen mit bildgebenden Tachymetern unter kontrollierten Bedingungen jedoch mindestens die Genauigkeiten herkömmlicher Instrumente erzielen können. Videotachymetrie ist daher insbesondere als Indoor- und Nahbereichsverfahren zu verwenden.

Automatisierte Nutzung der Videotachymetrie setzt funktionelle und zuverlässige Algorithmen der Bildbe- und -verarbeitung sowie der Bildanalyse voraus. Die dazu im ingenieurgeodätischen Kontext bisher wenig verbreiteten Grundlagen, insbesondere im Hinblick auf Zielpunkt- und Objekterkennung, werden zusammengefasst und im Hinblick auf die Detektion von Punktbewegungen bewertet. Da die Abbildung einer räumlichen Szene auf eine Ebene immer mit Informationsverlust verbunden ist, werden Möglichkeiten untersucht, diese durch zusätzliche Kenntnis über beobachtete Bewegungsabläufe aus den ausgewerteten Bildern zu rekonstruieren. Es wird nachgewiesen, dass für einzelne räumliche Deformationsmodelle auf die Messung der meisten Strecken zu den Objektpunkten verzichtet werden kann, wenn ausreichend verteilte Richtungen aus Messbildern vorliegen. Weiterhin wird ein Ausschnitt der Einsatzmöglichkeiten der Videotachymetrie zur Messung von Objekt- oder Punktbewegungen gegeben.