Erfassung von signifikanten Bauwerksdeformationen mittels autonomer, scannender Tachymeter-Monitoringsysteme

Im Rahmen eines Forschungsprojekts (ZIM-Kooperationsprojekt) wird der Lehrstuhl für Geodäsie der Technischen Universität München in Kooperation mit dem Partner Angermeier Ingenieure GmbH ein neuartiges Messverfahren für scannende Tachymeter zur Bauwerksüberwachung entwickeln. Mit diesem wird es ermöglicht – ohne Genauigkeitsverlust zu herkömmlichen Systemen – auf die aufwendige Signalisierung von Messpunkten zu verzichtet und dennoch Bewegungen von Bauwerken im Millimeterbereich signifikant auf zu decken.

Immer komplexere Baumaßnahmen erfordern, insbesondere im innerstädtischen Bereich, ein zuverlässiges geodätisches Monitoring der umliegenden Gebäude und Infrastruktur. Eventuelle Auswirkungen einer Bautätigkeit auf den umliegenden Bestand müssen kontinuierlich beobachtet und dokumentiert werden. Dies ermöglicht im Rahmen des Risikomanagements die frühzeitige Herausgabe von Warn- und Alarmmeldungen, wie es beispielsweise beim Einsturz des Stadtarchivs in Köln 2009 nötig gewesen wäre. Des Weiteren ist mit dem Monitoring eine ausführliche Beweissicherung bei etwaigen Bauwerksbewegungen möglich. Typische Anwendungsgebiete sind die Kontrolle von untertägigen Baumaßnahmen, z. B. Setzungsmessungen bei Tunnelvortrieben, die Überwachung von Infrastrukturanlagen/-bauwerken während Baumaßnahmen und die Schadens¬überwachungen. Stand der Technik und in öffentlichen Ausschreibungen gefordert sind manuelle geodätische Überwachungsverfahren, wie z.B. regelmäßige Präzisionsnivellements oder vollauto¬matisierte tachymetrische Monitoringsysteme. Die geforderten Genauigkeiten liegen in der Regel bei relativen Lage- und Höhenänderungen im Submillimeterbereich, für absolute Messwerte in übergeordneten Referenzsystemen im unteren Millimeterbereich. Die Ergebnisse müssen durch überbestimmte Messungen und statistische Test verifiziert werden und jeder Wert mit einer Genauigkeitsangabe versehen sein, vgl. DIN 18710-4. Die am häufigsten eingesetzten autonom betriebenen Tachymeter-Systeme messen üblicherweise zu fest installierten Vermessungsprismen, berechnen die Koordinaten und Orientierung des Standpunktes und im Überwachungsgebiet verteilte signalisierte Objektpunkte. Damit erfassen sie nahezu in Echtzeit 3D-Punktveränderungen, die an eine zentrale Datenbank weitergeleitet und Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt werden. Zur Sicherung der Stabilität müssen die Zielpunkte dauerhaft verankert werden, was u.a. zu unvermeidlichen Schädigungen am Objekt bzw. der Bausubstanz führt. Problematisch ist aus diesem Grund die Überwachung von Baudenkmälern und schwer zugänglichen Stellen. Zur Punktvermarkung werden unter Umständen historische Fassaden beschädigt und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ist mit hohen Kosten verbunden. Bei den mittlerweile weit verbreiteten wärmegedämmten Außenfassaden kommt es zu zusätzlichen Problemen: Die Punktvermarkung darf keine Wärmebrücken bilden, muss aber direkt am Mauerwerk befestigt werden und ist derart stabil auszuführen, dass eine millimetergenaue wiederholte Messung möglich ist. Die Nutzung von reflektierenden Klebemarken ist hinsichtlich der geforderten Genauigkeiten und notwendigen dauerhaften Anbringung, gerade an Außenfassaden, häufig keine brauchbare Alternative. Außerdem ist es im Allgemeinen notwendig, die Messsysteme und -prismen außerhalb der Reichweite von Passanten anzubringen, um sie vor manueller Beeinträchtigung und Manipulation und Vandalismus zu schützen. D.h. die Installation (und später auch die Demontage) muss mittels Gerüsten oder Hubsteigern erfolgen und ist demensprechend kostenintensiv. Schwer erreichbare Punkte können nur mit zusätzlich höherem Aufwand und damit auch höheren Kosten mit Prismen bestückt und überwacht werden. Es existieren zwar bereits Monitoringansätze, die Objekte mittels Scanningverfahren berührungslos erfassen, aus der so generierten Punktwolke Flächencluster generieren und z.B. die Schwerpunktslage und den Normalenvektor dieser Cluster vergleichen. Diese Punktwolkenvergleiche haben jedoch den gravierenden Nachteil, dass eine eindeutige Punktzuordnung und damit Bewegungsableitung nicht möglich und Bewegungen quer zur Beobachtungsrichtung (also üblicherweise z.B. Setzungen von Gebäuden) kaum nachweisbar sind. Wegen der fehlenden Punktkorrespondenzen ist es außerdem nicht möglich, aussagekräftige statistische Tests durchzuführen. Notwendig ist somit die Entwicklung einer Alternative zu den millimetergenauen tachymetrischen Überwachungsmessung auf signalisierte, vermarkte Einzelpunkte, die dennoch den hohen Ansprüchen in Bezug auf Detektierbarkeit, Genauigkeit, Wiederholbarkeit und Signifikanz gerecht wird.

Project SigScan
Duration 2018-2019
Coordinator Prof. Dr. Ing. Thomas Wunderlich
Lehrstuhl für Geodäsie
Colaborators Lukas Raffl, M.Sc.
Scientific partners TUM - Lehrstuhl für Geodäsie
SME-Partners Angermeier Ingenieure GmbH
Finanzierung: Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM)
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages